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Ein schillernder Abt und der Glaube an die eine Wahrheit

Im europäischen Mittelalter prägte die christliche Kirche das Weltbild: Im Mittelpunkt des Universums stand die Erde als Gottes Schöpfung, und alles  menschliche Forschen diente dazu, diese Deutung zu untermauern. Ziel mittelalterlicher Erkenntnis war es, Gott in der Natur und den Dingen wiederzufinden. Dabei war die Grenze zwischen überprüfbarer und nur vermuteter Wahrheit fließend: Im Zweifel berief man sich auf die einzig wahren Autoritäten, auf Gott, Bibel und Kirche.

Im ausgehenden Mittelalter bekam der Glaube an einen unbeirrbaren göttlichen Heilsplan immer größere Risse, und die Suche nach Wahrheit dehnte sich auf den außerbiblischen Kosmos aus. Wahrheitssuchend war auch der zu seiner Zeit überaus berühmte Würzburger Abt Johannes Trithemius (1452–1516), leidenschaftlicher Büchersammler, großer Kenner von Geheimschriften und – für einen Abt sehr ungewöhnlich – Magier. Als humanistischer Vordenker wollte er der Welt den Zugang zu Wissen und Erkenntnis ermöglichen. Obwohl einer der vielseitigsten und klügsten Gelehrtenpersönlichkeiten seiner Zeit, geriet er am Ende seines langen Schaffens in den Verdacht, historische Gegebenheiten sehr fantasievoll präsentiert zu haben, um auf ein glanzvolles und stimmiges Ergebnis zu kommen.